Strategiewechsel in der Varroabekämpfung
Viele Imker meinen, dass sich der Varroabefall nur durch einen ständigen Einsatz von Medikamenten unter Kontrolle halten lässt. Dennoch liegen die durch Varroamilben und die sie begleitenden Viren verursachten Winterverluste bei etwa 15 Prozent. Dr. Ralph Büchler zeigt auf, welche Alternativen für einen Wechsel der Bekämpfungsstrategie sich uns bieten.
Obgleich eine Vielzahl hochwirksamer Bekämpfungsmittel zur Verfügung steht, liegen die in erster Linie durch Varroaschäden bedingten Winter-Völkerverluste nach den Zahlen des DeBiMo-Projektes bei etwa 15 Prozent, Tendenz leicht steigend. So ist es nur folgerichtig, wenn viele Imker – beispielsweise auch Berufsimker Bernhard Heuvel, zu lesen in seinen Monatsbeiträgen im Oktober und November – nach alternativen Lösungen suchen. Besondere Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf die immer häufigeren Berichte über resistente Bienenpopulationen, die ohne menschliches Zutun über Jahre erfolgreich mit Varroamilben überleben. Barbara Locke hat hierzu 2016 in der Apidologie in einem Übersichtsartikel einige wissenschaftlich gut dokumentierte Beispiele zusammengestellt (s. Quellen). Interessant ist, alle diese Bienenpopulationen hatten zuvor einen natürlichen Selektionsprozess ohne Einsatz von Medikamenten durchlaufen. Dabei war es zu genetischen Veränderungen gekommen, etwa der jährlichen Bruttätigkeit, des Bruthygieneverhaltens oder der Vermehrungsmöglichkeiten der Milben in der Arbeiterbrut (SMR). Diese bewirken, dass der Befallsanstieg dieser Völker signifikant herabgesetzt ist. Leider sind Versuche, die vermeintlich resistenten Völker in andere Regionen bzw. in wirtschaftlich betriebene Imkereien zu transferieren, wenig erfolgreich verlaufen. Die Fähigkeit, ohne Bekämpfung der Milben überleben zu können, geht unter den veränderten Umweltverhältnissen regelmässig verloren. Offenbar wirken lokale Gegebenheiten und die regelmässigen Eingriffe einer wirtschaftlichen Imkerei hierbei begrenzend.
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Aufschlussreiche Erkenntnisse zum Einfluss unterschiedlicher Haltungs- und Entwicklungsbedingungen der Bienenvölker auf den Varroabefall fanden auch Thomas Seeley und Michael L. Smith (s. Quellen). Sie haben 24 Völker im Sommer einheitlich aufgebaut und anschliessend ohne Behandlungsmassnahmen bis zum übernächsten Frühjahr beobachtet. Alle Völker, die einzeln aufgestellt und im Laufe der Saison einmal geschwärmt waren, überlebten. Dagegen sind alle eng benachbart innerhalb eines Standplatzes aufgestellten und sämtliche nicht schwärmenden Völker bis zur zweiten Einwinterung aufgrund massiver Varroaschäden zusammengebrochen. Will man den regelmässigen Medikamenteneinsatz reduzieren, müssen neben den genetischen Veranlagungen offenbar auch die Haltungsbedingungen beachtet werden. Allerdings stösst eine moderne und effiziente Imkerei dabei schnell an Grenzen. So wird man bei hohen Völkerzahlen stets grössere Bienenstände einrichten müssen. Und den Schwarmtrieb einzudämmen, trägt nicht nur zur Konfliktvermeidung mit der Nachbarschaft, sondern in erheblichem Masse auch zur Sicherung guter Honigerträge bei. Welche Ansatzpunkte bleiben also, um den Medikamenteneinsatz einzuschränken, ohne wirtschaftliche Ziele aufgeben zu müssen?
Gute imkerliche Praxis
Die Widerstandsfähigkeit gegen Varroamilben und Sekundärinfektionen hängt wesentlich von der Konstitution der Bienenvölker ab. Daher ist auf Bienenpflege und Optimierung der Haltungsbedingungen zu achten. Das heisst, möglichst kleine Stände auf kleinklimatisch günstigen Standorten mit Pollenversorgung und einem Mindestvorrat von 10 kg Futter. Eingriffe sollten möglichst reduziert werden. Jedes Öffnen ist mit Wärmeverlusten und Störungen des Brutpflege- und Hygieneverhaltens verbunden. Ausserdem tragen Bauerneuerung und Hygiene zur Gesunderhaltung bei. Kein Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln und anderen Umweltgiften, auch wenn diese als bienenungefährlich klassifiziert sind.
Zucht auf Resistenzsteigerung
Auch wenn nicht alle der durch natürliche Auslese unter hohem Befallsdruck veränderten Eigenschaften den Ansprüchen einer modernen Imkerei entsprechen, so zeigen die resistent gewordenen Populationen doch Abwehrmechanismen, die sich gut mit einer Auslese auf Sanftmut, Schwarmträgheit und Honigleistung verbinden lassen. Dabei kommt den Verhaltensmerkmalen REC, VSH und SMR Bedeutung zu (s. Kasten).
Inzwischen gibt es systematische Selektionsprogramme, die auf eine Auslese dieser Merkmale bei Carnica, Buckfast u.a. mit guter wirtschaftlicher Eignung abzielen. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit vieler Prüfbetriebe, einer Datenanalyse mit Zuchtwertschätzung und der Nutzung moderner Selektionstechniken. Zugleich müssen die ausgelesenen Zuchtvölker für eine umfangreiche Vermehrung, etwa über Belegstellen, allen zur Verfügung stehen. Wie z. B. das Zuchtprojekt der Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht (AGT), an dem das Bieneninstitut in Kirchhain beteiligt ist. Dort werden jährlich etwa 60 Prüfvölker auf den Anteil nicht reproduzierender Varroamilben (SMR) untersucht und eine gezielte Anpaarung ausgewählter Zuchtvölker zur Steigerung dieses Resistenzkriteriums vorgenommen. Die SMR-Werte zeigen eine deutliche Steigerung von durchschnittlich 16,4 % im Jahr 2013 auf 35,4 % in 2017.
Abb. 1: Varroabefall der Bienen verschiedener Geschwistergruppen im Sommer 2018 am Ende einer einjährigen Prüfperiode ohne Behandlungsmassnahmen.
Für die Überlebensfähigkeit der Völker ist am Ende vor allem der relative Varroabefall ausschlaggebend. Hier zeigen die Vergleichsprüfungen, welch grosse Befallsunterschiede es selbst zwischen gleichermassen intensiv auf Honigleistung und Sanftmut ausgelesenen Geschwistergruppen es gibt (Abb. 1).
Resistenzmerkmale
REC (Recapping): Gezieltes Öffnen und erneutes Verschliessen der Deckel befallener Brutzellen
VSH (Varroa sensitive Hygiene): Gezieltes Öffnen und Ausräumen befallener Brutzellen
SMR (Surpressed mite reproduction): Einschränkung der Milbenreproduktion
Brutunterbrechung im Sommer
Grundlegend für einen gesunden Völkeraufbau ist die mit dem Schwarmprozess einhergehende sommerliche Brutpause. Sie stellt eine wirksame Eindämmung aller Bruterkrankungen dar und sichert eine intensive Bauerneuerung. Die Entwicklung des Varroabefalls wird durch das Schwärmen in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigt. Einmal verlässt ein Teil der Milben mit dem Schwarm das Volk. Zudem werden die zurückbleibenden Milben mit einer etwa vierwöchigen Brutpause konfrontiert. Sie können sich nicht vermehren und sind einer hohen Sterblichkeit mit abgehenden Bienen ausgesetzt. Die restlichen Milben sind nach der langen Brutpause zunächst nur eingeschränkt vermehrungsfähig. Je stärker der Schwarmtrieb in der Imkerei eingedämmt wird, desto wichtiger wird eine kontrollierte Brutunterbrechung im Laufe des Sommers. Hierfür stehen bewährte Methoden zur Verfügung, die unterschiedlichen Betriebssituationen und imkerlichen Gegebenheiten gerecht werden (Abb. 2). Wer sich die Suche nach der Königin ersparen oder seinen Völkerbestand stark vermehren möchte, sollte eine komplette Brutentnahme durchführen. Dies sollte frühestens 14 Tage vor der letzten Honigernte erfolgen, da es im Anschluss zu einer vorübergehenden Schwächung der Völker kommt. Im Gegensatz dazu werden Völker in den folgenden Wochen stärker, wenn die Bruttätigkeit durch einfaches Käfigen der Königin unterbrochen wird. Beim Freilassen der Königin nach etwa vier Wochen befinden sich alle verbliebenen Milben auf den Bienen und können, etwa mit Oxalsäure, bekämpft werden. Ohne Medikamente sperrt man die Königin in eine Wabentasche, wo sie begrenzt Brut anlegen kann. Mit diesen Bannwaben entnimmt man nach und nach nahezu alle Milben. Mehr dazu findet man u. a. in Flyern des Kirchhainer Bieneninstituts (s. Quellen).
Abb. 2: Gezielte Brutpause – passend zur Betriebssituation
Schritte zu einer nachhaltigen Varroakontrolle
- Wirksame Varroaeindämmung vor Beginn der Winterbienenaufzucht etablieren, vorzugsweise mittels Brutpause im Juli
- Befallskontrolle während der Winterbienenaufzucht und ggf. selektive Behandlung/Umweiselung von Problemvölkern
- Verzicht auf Winterbehandlung
- Einsatz lokal angepasster, widerstandsfähiger Königinnen
- Koordination und einheitliche Vorgehensweise auf regionaler Ebene (Imkervereine)
Eckpfeiler einer nachhaltigen Varroakontrolle
Die grundlegende Bedeutung einer Brutunterbrechung im Sommer wird erst richtig verständlich, wenn sie in Zusammenhang mit der natürlichen Selektion gesehen wird. Da Drohnen besonders stark unter hohem Varroabefall leiden, haben anfällige Völker, soweit sie nicht behandelt werden, kaum Chancen, am Paarungsgeschehen teilzunehmen. Vermutlich liegt genau hierin der Grund, warum sich in unbehandelten Populationen schon innerhalb weniger Generationen Völker mit angepassten Resistenzeigenschaften etablieren können. Um diesen natürlichen Selektionseffekt zu nutzen, verzichtet man auf den Toleranzbelegstellen der AGT seit Jahren bewusst auf eine Winterbehandlung der Drohnenvölker. Diese starten daher zum Teil mit einem merklichen Befall in die neue Saison und erzielen entsprechend ihrer individuellen Widerstandsfähigkeit deutlich unterschiedliche Paarungserfolge. Dank der im Juli dort angewendeten Brutpausen-Technik gelingt es dennoch, den Befall rechtzeitig und wirkungsvoll vor Beginn der Winterbienenaufzucht zu reduzieren.
Abb. 3: Konventionelle (grüne) versus naturgemässe Krankheitsbekämpfung (blau) – Erklärung im Text.
In Abbildung 3 ist der Befallsverlauf derart behandelter Völker im Vergleich zu einer konventionellen Behandlung mittels Medikamenten im August und im Winter dargestellt. Obgleich die naturnah behandelten Völker im Jahresdurchschnitt einen höheren Befall aufweisen und insbesondere in der Paarungsperiode einem viel stärkeren Milbenbefall ausgesetzt sind (grüne Kurve), fällt die Schädigung der Winterbienen und damit das Verlustrisiko geringer aus.
Ausblick
Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Überwinterung sind gesunde Winterbienen, die am besten durch eine Brutpause und wirksame Varroaeindämmung vor Beginn der Winterbienenaufzucht garantiert werden können. Unser Ziel muss es sein, die Verlustrate auf weniger als 5 % abzusenken. Die heute noch übliche Winterbehandlung wird zumeist überflüssig sein, sobald flächendeckend eine zuverlässige und frühzeitige Sommerbehandlung etabliert ist. Dann endlich wird sich auch in imkerlich dominierten Populationen ein Selektionsvorteil für Völker mit besseren Resistenzeigenschaften und daher langfristig geringerem Varroabefall ergeben. Die Entwicklung lokal angepasster, resistenter Bienenpopulationen wird ausserdem erheblich durch die weitsichtige und verantwortungsvolle Arbeit der Züchter befördert, die gute Königinnen zum Umweiseln offenbar anfälliger Völker zur Verfügung stellen können.
Quellen
- Deutsches Bienenmonitoring
- Barbara Locke; Natural Varroa mite-surviving Apis mellifera honeybee populations (Apidologie 47: 467-482).
- Thomas D. Seeley und Michael L. Smith: Crowding honeybee colonies in apiaries can increase their vulnerability to the deadly ectoparasite Varroa destructor. Apidologie 46: 716-727.
- Publikationen Kirchhainer Bieneninstitut
Dr. Ralph Büchler
Quelle: Bienen & Natur