Natürliche Bienenbehausung
In einem Artikel in «Biene & Natur» ist sehr eindrücklich beschrieben, wie Bienenvölker in freier Wildbahn ihre Behausungen wählen und darin erfolgreich überleben:
«Darwin» Beobachter von 1951
In der Deutschen Imkerzeitung 4/1952 hatte Hans Gütschow beschrieben, wie er ein Bienenvolk in einer gefällten Linde vorfand. Es sass in vier Metern Höhe, das Flugloch war auf der Regenseite. Das Volk entwickelte sich nach der winterlichen Umsiedlung im Januar 1952 prächtig. Anlass für Imkermeister Kurt Welker, von Russland zu berichten, wo er viele Bienenvölker aus Baumhöhlen geborgen hat.
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«Noch etwas für Beutenerfinder»
Kollege Gütschows interessanter Bericht, veranlasst mich, von Erfahrungen, die ich mit Wildvölkern machen konnte, zu berichten. Wir waren damals als Kriegsgefangene mit dem Fällen von Bäumen in den unabsehbaren Waldungen beschäftigt. Es waren riesige Fichten, 80cm, 1m Stammdurchmesser, die vielfach von unten her (wie bei Nadelbäumen üblich) hohl waren. In einer Anzahl solcher Bäume wurden Bienenvölker festgestellt. Die Bergungsaufgabe fiel mir, als anerkanntem «Ptscholni»“ automatisch zu. Der Befund war natürlich nicht in allen Fällen gleich. Die Grösse des zur Verfügung stehenden Raumes begrenzte oft die Entwicklung des Volkes. Immer aber war das Gefundene überraschend. Die Skizze soll ein Beispiel von vielen sein. Allen gemeinsam war eins: Flugloch direkt am Boden, langer gewundener Anmarschweg durch die Wurzeln, der direkte Gegensatz zu dem riesigen «Obenflugloch» in Gütschows Linde. Der Boden war recht sauber, kein Gemüll. Das lag daran, dass die Brutwaben fast auf den Boden reichten. Wabenzahl allgemein acht bis neun, Höhe des durch die Brut in Anspruch genommenen Teiles etwa 20 bis 22 bis 24 cm, Wabenlänge in der Mitte etwa 40 cm. Der darüberstehende «Honigraum» war diesem verhältnismässig bescheidenen Brutraum gegenüber eine Sehenswürdigkeit. Bis zur Mannshöhe schneeweisser Wabenhonig, alle Hohlräume, auch die kaum durch eine kleine Öffnung mit dem Hauptraum verbundenen Spalten, gefüllt. Diese Nebenräume entdeckte man erst nach einiger Erfahrung. Ich werde bei den ersten Bäumen manchen stehengelassen haben, was mich heute noch ärgert. Das Ernteergebnis war bei diesem besten Beispiel eine 20 Liter Milchkanne und unser 30 Liter-Essenkübel voll Scheibenhonig Zeitpunkt der Ernte: die Himbeeren wurden reif. Es waren nicht alle Völker so gut, aber sehen lassen konnten sich wirklich alle. Ich hatte die Freude, später einige der Völker wiederzusehen. Sie hatten die «Beraubung», den tollen Transport und die mangelnde Pflege virtuos überstanden, genügend Bau wieder aufgeführt und, wenigstens die ersten, genügend eigene Vorräte gespeichert. Die Höhlung im Baum sprach natürlich allen Anforderungen an eine, wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechende, «biologisch einwandfreie» Bienenwohnung Hohn. (Ich freue mich deswegen, das schreiben zu können, weil mit dem Wort «biologisch» in jüngster Zeit gern wie mit dem Holzhammer umgegangen wird.) Die «Beute» war klitschnass. Wie bei Gütschows Linde konnte man aus dem fauligen Holz, aus dem die inneren Wände von oben bis unten ringsum bestanden, buchstäblich das Wasser mit der Hand herausdrücken. Es waren endlos hohe Türme, in deren oberer Höhe die Wärme verschwinden musste und in deren Keller die armen Bienen hausten. Trotz des ungeheuren, unbelagerten Wabenbaues sah man keinen Modenschaden und fand keine Mottenmaden. Die Fluglöcher lagen direkt auf dem Erdboden. Sechs und mehr Monate des Jahres lag Schnee darauf, ein Meter und mehr. Wenn er tagsüber taute, gefror er in der Nacht luftdicht zu. Die starke, lang dauernde Kälte, liess die Stämme bis in den fauligen Teil gefrieren, der Mulm wurde Eis. Wenn die Bienen die einschlägige Literatur gelesen hätten, sie hätten vor Entsetzen die Fühler über dem Kopf zusammengeschlagen. So aber vermissten sie glücklicherweise nichts von dem, was ihnen, nach der Weisheit der Theoretiker, allein gut tun hätte können. Die Beutenerfinder aber mögen hingehen und eine neue «bienengemässe» Bienenwohnung unter Berücksichtigung neuester Erkenntnisse, direkt am Bien gewonnen, konstruieren. Noch besser aber, sie gehen nicht, sondern setzen sich hin und gehen in sich.
Quelle: Kurt Keller, Altmörbitz, in Deutsche Imkerzeitungjuni 1952, S. 181 f. (leicht gekürzt)