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Imkerthemen 2019
25.10.2019 22:30

Gift aus der Landi gefährdet Bienen

Im Aargau hat ein verunreinigtes Insektizid aus einem Landi Agrar-Center Hunderttausende Bienen getötet. Das gleiche Mittel wurde im Zürcher Oberland 15-mal verkauft. Imker sind empört.

600 000 Bienen sind einem Imker im Kanton Aargau kürzlich verendet, insgesamt 24 Völker. Die Laboranalysen zeigten, dass der verbotene Stoff Fipronil dafür verantwortlich war: Er befand sich als Beimischung in einem eigentlich legalen Insektizid, das ein ahnungsloser Bauer zur Bekämpfung von Blattläusen auf seinen Äckern einsetzte, wie die «Sonntags-Zeitung» berichtet.

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Gekauft hatte der Bauer das Spritzmittel mit dem Namen ­Pirimicarb, das von einer unbekannten indischen Chemiefirma hergestellt wird, zuvor in einem Landi Agrar-Center, wo sich Bauern mit Futtermitteln und anderem eindecken. Die Bewilligungsinhaberin für den Verkauf in der Schweiz ist gemäss der Zeitung eine Briefkastenfirma ohne Mitarbeiter.

Rückrufaktion angeordnet

Der Aargauer Bauer war nicht der Einzige, der sich das Mittel im Agrar-Center geholt hatte. Genau 1308 Einheiten à 500 Gramm habe man im März 2017 von der kontaminierten Charge bezogen und seither an professionelle ­Anwender verkauft, erklärt die Fenaco, Betreiberin der Landi, auf Anfrage. Und auch im Zürcher Oberland ging das giftige Insektizid über den Ladentisch: Insgesamt 15 Einheiten der kontaminierten Charge von «Pirimicarb 50 WG» wurden in der Region über die Agro-Center vertrieben.

Aus diesem Grund ordnete das Bundesamt für Landwirtschaft am 20. September eine dringliche Rückrufaktion an, an der sich die Fenaco Pflanzenschutz beteiligte. Dank eines ­digitalen Kundenmanagement­systems habe man alle Käufer kontaktieren und um die Rück-sendung von Restposten der betroffenen Charge bitten können. Wie viel von dem verseuchten Mittel bis zu diesem Zeitpunkt aber schon auf Gemüsekulturen oder Obstplantagen gelandet war oder trotz Warnung noch dort eingesetzt wird, kann allerdings niemand sagen.

«Ganze Ökologie betroffen»

Helen Halbheer aus Rüti ist ausser sich, als sie vom Fall hört. «Das dürfte nicht passieren. 24 Bienenvölker wegen so etwas zu verlieren, ist ganz schlimm. Das tut weh, das darf nicht sein», sagt die bald 80-Jährige, die zusammen mit ihrem Mann 40 Bienenvölker besitzt und zu Hause ein Honiglädeli betreibt. «Würde mir so etwas passieren, ginge ich auf die Barrikaden!»

Dass man irgendwo im Ausland Spritzmittel einkaufe und dadurch keine Kontrolle über das Produkt habe, und dass immer wieder solche und ähnliche Fälle bekannt würden, stösst der Imkerin sauer auf.

Als tragisch empfindet sie auch, dass neben den Bienen viele andere Insekten sterben, über die aber niemand rede. «Viele Leute haben nicht begriffen, dass wir irgendwann Hunger leiden müssen, wenn es die Honigbiene nicht mehr gibt: Es geht nicht nur um die Apfel- und Birnbäume, sondern die ganze Ökologie ist betroffen. Alles muss befruchtet werden, im Prinzip auch jedes Chrüütli», so Halbheer. Es sei nicht selbstverständlich, dass die Natur im Frühling wieder erwachen kann. «Die Honigbiene ist fest daran beteiligt.»

Herr über 80 Bienenvölker

Auch Werner Fischer reagiert besorgt. Der 71-jährige Seegräbner ist Herr über 80 Bienenvölker, die er vor allem in den Obstplantagen des Juckerhofs hegt und pflegt. 800 000 Bienen sind es im Winter insgesamt, im Sommer bis zu vier Millionen. Zwei Tonnen Fruchtzucker hat Fischer jüngst in der Landi in Dürnten gekauft, um ihn seinen Schützlingen als Wintervorrat zu verfuttern. Dass derselbe Laden auch Spritzmittel verkaufte, der seinen Bienen den Tod bringen kann, macht ihn wütend. «Ich finde es komplett daneben, dass das Landi Agrar-Center dieses Mittel verkauft hat. Das ist eine Sauerei», sagt er.

Fischer hat das Imkern von seinem Vater gelernt und sein Wissen seinem Sohn Jsmael weitergegeben. Von März bis August schaut er tagtäglich bei seinen Bienen vorbei, die in drei Bienenhäusern wohnen. Dass die Landi ihre Produkte nicht besser kontrolliert, versteht er nicht.

Und dass auch der Bund nichts gemerkt hat, kann er genauso wenig nachvollziehen. Er selber hat vor zehn Jahren drei Viertel seiner Völker verloren, weil sie durch die Varroamilben immungeschwächt waren. Ein zweites Mal will er so etwas nicht erleben. «Diese Sache ist sehr beunruhigend», sagt er und greift zum Telefon.

Mittel im Juckerhof bekannt

Am anderen Ende der Leitung ist Stefan Bächli, Obstbauchef des Juckerhofs in Seegräben, wo Fischers Bienen wohnen. Fischer will von ihm wissen, ob auch er in der Obstplantage das Spritzmittel Pirimicarb verwendet. Und tatsächlich hat Bächli das bei der Landi eingekaufte Mittel schon auf den Obstplantagen in Seegräben und Jona eingesetzt – zur Bekämpfung von Blattläusen.

Eine angebrochene Packung steht sogar noch immer im Lager herum. «Die Packung ist etwa fünf Jahre alt, aber in den letzten zwei Jahren haben wir das Mittel nicht mehr verwendet», sagt Bächli. Und ist erleichtert, nachdem er die Zulassungsnummer seines Produkts über das Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundesamts für Landwirtschaft überprüft hat. «Meine Packung war zum Glück nicht mit Fipronil verunreinigt. Das sagt mir zumindest das Verzeichnis.»

Beim Juckerhof sei man sensibilisiert auf das Thema, und man setze auf den Obstplantagen immer weniger Insektizide ein. «Auch die Blattläuse haben wir dank natürlicher Gegen­spieler recht gut in den Griff bekommen», so Bächli. Obwohl es offenbar nicht kontaminiert ist, geht er davon aus, dass er das Landi-Mittel im nächsten Frühling entsorgen wird.

Nicht im Einsatz steht Piri­micarb auf dem Hof von Obstbauer Thomas Oswald in Rüti. Der Bauer bezieht Spritzmittel zum Teil auch bei der Landi, hat aber noch andere Bezugsquellen. Auch er ist alarmiert: «So etwas geht gar nicht. Der Anwender kann die Packung ja nicht selber auf ihre Inhaltsstoffe überprüfen. Man muss sich einfach darauf verlassen können, dass in einem Produkt tatsächlich drin ist, was draufsteht», sagt er.

Fenaco bedauert den Vorfall

Der Fenaco ist die Sache sehr ­unangenehm. Man bedauere den Vorfall ausserordentlich, sagt Heinz Mollet, Leiter deren Division Agrar. Und: «Der Schutz von Bienen ist für uns zentral. Sie sind für die Landwirtschaft sehr wichtige Nützlinge.» Man werde den Fall gemeinsam mit dem Lieferanten lückenlos aufarbeiten. «Es ist für uns elementar, dass unsere Kunden, Schweizer Landwirtinnen und Landwirte, sich darauf verlassen können, dass wir nur einwandfreie Produkte verkaufen», so Mollet.

Noch ist die Rückrufaktion nicht abgeschlossen. Bis letzten Sonntag haben die Agro-Center-Kunden von den 1308 Einheiten der kontaminierten Charge nur gerade 60 zurückgeschickt. Ob darunter auch Packungen aus dem Zürcher Oberland waren, ist nicht bekannt. Man rechne damit, dass insgesamt 100 Einheiten zurückkommen, heisst es dazu in einer Medienmitteilung.

Quelle: Zürichseezeitung, 23.10.2019