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Imkertehmen 2023
02.01.2023 13:59

Beutendämmung und Klimawandel

Eine starke Wärmedämmung von Beuten halten die Autoren für nicht erstrebenswert. Gerade im Zuge der mit dem Klimawandel steigenden Temperaturen werden brutfreie Phasen verkürzt und oft sogar verhindert, was den Futterverbrauch erhöht und die Bienengesundheit gefährdet

Als wir vor mehr als 40 Jahren mit der Imkerei anfingen, war eines der wichtigen Streitthemen die Frage nach der Wärmedämmung der Beute. Damals waren es noch viele gewohnt, zur Überwinterung die leeren Beutenbereiche mit Stroh und anderem Dämmmaterial auszustopfen. Manches Bienenhaus glich mit den auf die Bienenbeuten gelegten Matratzen eher einer Schlafstätte. Damit sollte der Verbrauch des zwar subventionierten, aber doch immer noch recht teuren Zuckers reduziert werden.

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Doch in der Folge musste die hohe Stockfeuchte bekämpft werden. Deshalb lernten wir, die Beuten nie waagerecht, sondern immer leicht zum Flugloch geneigt aufzustellen. Nur so kann das Kondenswasser auf dem Bodenbrett ungehindert abfliessen.

Mit der schwindenden Bedeutung von Hinterbehandlungsbeuten verlor auch die zusätzliche Wärmedämmung immer mehr an Aufmerksamkeit. Erst mit den stark wärmedämmenden Kunststoffbeuten kam die Thematik erneut auf. Vor allem bei Schnee konnte man oft lange Spuren mit toten Bienen vor den Eingängen dieser Beuten beobachten. Die Bienen waren bei viel zu kalter Witterung zum Reinigungsflug gestartet. Die Lösung: Mit an den Böden angebrachten vergitterten Öffnungen war der direkte Kontakt zur Umwelt auch in Kunststoffbeuten wieder hergestellt und auch das Problem der erhöhten Stockfeuchte gelöst.

Offener Gitterboden mit Bodenschieber

Erst mit der Varroamilbe bekam der offene Gitterboden auch bei anderen Beutensystemen eine Bedeutung. Über das am Boden anfallende Gemüll kann der Befall mit Milben im Bienenvolk bestimmt werden. Ein beweglicher Bodenschieber unter dem Gitterboden erleichtert die Kontrolle wesentlich. Bald erkannte man, dass mit dem Schieber auch die Wärmedämmung der Beute verändert werden kann. Nun stellt sich allerdings die Frage, wann der Bodenschieber am besten drinbleibt oder raus soll (siehe Kasten „Mit oder ohne Bodenschieber?“). Ob der offene Boden dem Bienenvolk nützt oder schadet, wird sehr kontrovers diskutiert. Dabei wollen viele, ebenso wie wir, auch bei der Wärmedämmung möglichst naturgemässe Wege gehen.

Mit oder ohne Bodenschieber?

Die Meinungen über einen offenen oder geschlossenen Boden gehen auseinandergehen. Man kann ihn ausser zur Varroabehandlung und Diagnose ständig offenhalten oder wie wir ausser bei Hitze geschlossen. Die Entscheidung hängt von der Situation in den einzelnen Jahren, dem Standort und vor allem dem Beutensystem ab. Für den variablen Einsatz ist folgende Vorgehensweise möglich.

Ohne Bodenschieber:

  • Völker sitzen kälter und brüten weniger.
  • Sie nehmen das Wetter besser wahr.
  • Die Gefahr von Zugluft nimmt zu.

Mit Bodenschieber:

  • Völker sitzen wärmer und brüten mehr.
  • Sie werden weniger vom Wetter beeinflusst.
  • Die Gefahr von Zugluft nimmt ab.

Jahresablauf im phänologischen Kalender:  Varroa-Behandlung:
während der Behandlung und zur Kontrolle eine bis zwei weitere Wochen danach.

Gemüll-Diagnose:
jeden Monat für mindestens 3 Tage.

Vorfrühling bis Vollfrühling (meist Februar bis April):
bessere Entwicklung bis zum Aufsetzen der Honigräume.

Frühsommer bis Vollherbst (meist Mai bis September):
Je nach Standort und Wetter bei kühlen Nächten eher rein und bei Hitze eher raus.

Spätherbst bis Winter (meist Oktober bis Dezember):
früheres Ende der Brutaufzucht zur brutfreien Behandlung im Winter.

Winter (meist November bis Februar):
weniger Brut und Futterverbrauch sowie frühere und häufigere Reinigungsflüge.

Bildung des Ablegers bis Spätherbst (meist Mai bis Oktober): mehr Brut zum Aufbau der Jungvölker.

 

Temperaturregulation im Bienenvolk

Honigbienen sind wie alle Insekten wechselwarme Tiere. Das Bienenvolk wird im sozialen Verband zum gleichwarmen Superorganismus, der die Temperatur im Nest aktiv regulieren kann. So wird die Temperatur der Brut in einem Bereich von 32 bis 36 °C weitgehend konstant bei 34,8 °C und an der Oberfläche der Wintertraube stets über 10 °C gehalten.

Der von den Bienen gewärmte Raum ist im Bild der Wärmekamera innen weiss und darum herum rot. Zur kühleren Temperatur in der Umgebung (blau) fällt die Temperatur ab.Foto: Wyatt Mangum

Wie frühere Untersuchungen von uns zeigen, steuert die Brut innerhalb des Bienensitzes die Art der Regulation. Bei einer Unterbrechung der Brutaufzucht wird die Temperatur wie in einer Wintertraube herabgesetzt. Die Bienen erzeugen Wärme durch Zittern der Muskulatur im Brustabschnitt, was viel Energie erfordert. Nach unseren Stoffwechselmessungen war bei einer Umgebungstemperatur von 4 °C der Energieaufwand eines nicht brütenden Volks im Vergleich zu einem gleich starken brütenden um 45 % geringer (W. Ritter, Experimenteller Beitrag zur Thermoregulation des Bienenvolks, Apidologie 1982).

Im Nest erfolgt eine Wärmedämmung durch die Waben und den Körper der Bienen. In der Brutphase, wenn das Volk nahezu den ganzen Raum einnimmt, können die Wände der Beute einen zusätzlichen Schutz vor Wärmeverlusten bieten. Im Winter dienen die Wände vor allem dem Windschutz, da die Bienen nur die Traube und nicht den Raum wärmen. Der Wärmeabfluss an die Umgebung wird durch die bei uns üblichen Aussentemperaturen nur wenig von den Wänden abgepuffert. Luftzug führt allerdings während des ganzen Jahres zu einem Wärmeverlust, der mit hohem Futterverbrauch ausgeglichen werden muss.

Das Bienenvolk wärmt im Winter nicht den Raum, sondern nur die Bienentraube. Die Wände des Nests dienen vor allem dem Windschutz. Bei Zugluft kann der Wärmeverlust nur mit hohem Energieaufwand ausgeglichen werdenQuelle: W. Ritter, Bienen gesund erhalten, Ulmer 2021

Baumhöhle als Vorbild

Wildlebende Völker der Honigbienen nisten in Mitteleuropa meist in von Schwarzspechten gebauten Baumhöhlen von Rotbuchen. Die Suchbienen eines Schwarmes beurteilen nach längerer Inspektion neben dem Volumen und der Beschaffenheit der möglichen Nisthöhle vor allem die Höhe, Ausrichtung und Grösse des Nesteingangs (W. Ritter, Bienen naturgemäss halten: Der Weg zur Bio-Imkerei, Ulmer 2014). Da sie Zugluft mit Kittharz baulich beeinflussen können, steht diese bei der Entscheidung nicht im Vordergrund. Dies gilt auch für die Wärmedämmung, denn Bäume sind unterschiedlich dick und wachsen ständig, sodass die Bienen in etwa gleich grossen Höhlen des Buntspechtes von unterschiedlich dicken Wänden umgeben sind.

Wärmedämmung im Winter

Die Nisthöhlen in Bäumen weisen in der Regel eine höhere Dämmung auf als die meisten Magazinbeuten. Der amerikanische Forscher Derek Mitchell (2016) hat Nisthöhlen in Baumhöhlen mit hoher Dämmung mit der von Magazinbeuten mit geringer Dämmung verglichen. Nach seiner Analyse müsste ein Volk mit etwa 10.000 Bienen im Magazin bereits bei einer Aussentemperatur von 10 °C eine Traube bilden, um den Wärmeabfluss an die Umgebung zu verringern. In einer gut isolierten Baumhöhle wäre es erst ab deutlich niedrigeren Temperaturen dazu gezwungen.

Bienenvölker in Baumhöhlen sind im Winter also länger mobil und können daher auch länger und umfangreicher brüten. Dies führt zwangsläufig zu einem gegenüber der Magazinbeute deutlich höheren Futterverbrauch. Dicke Wände besitzen aber nicht nur einen höheren Dämmwert, sondern auch eine höhere Wärmekapazität. Dadurch bleibt die Kälte des Winters länger in ihnen gespeichert, und die Luft im Inneren des Nests reagiert verzögert und abgeschwächt auf Temperaturänderungen in der Umgebung. Dieser scheinbare Vorteil bringt aber vor allem Nachteile bei den für die Gesunderhaltung der Bienen wichtigen Reinigungsflügen. So erkennen sie die für Ausflüge notwendige Aussentemperatur von mindestens 10 bis 12 °C gar nicht oder zu spät. Dies ist vermutlich ein Grund, warum sich die Suchbienen des Schwarms immer für ein Nest mit südlicher Ausrichtung des Fluglochs entscheiden. So können zumindest über das Flugloch höhere Aussentemperaturen im Tagesverlauf frühzeitiger erkannt werden.

Der Futterverbrauch des Bienenvolks ist während des Winters gering. Erst mit der Aufzucht der Brut im ausgehenden Frühjahr steigt er stark an.Quelle: W. Ritter, Bienen gesund erhalten, Ulmer 2021

Wärmedämmung im Sommer

Während das Bienenvolk bei der Wintertraube die Temperatur an der Traubenoberfläche durch engeres Zusammenziehen oder Auseinandergehen sowie kurzzeitige Wärmeproduktion ohne grossen Aufwand regulieren kann, ist es bei der Aufzucht der Brut weniger flexibel. Wie bei der Wintertraube wird auch hier nicht der Raum, sondern die Brut direkt gewärmt. Da die zu wärmende Fläche mit der Brut vorgegeben ist, kann die Wärmedämmung weniger variiert werden und die Temperatur wird vor allem durch unterschiedliche Wärmeproduktion aufrechtgehalten. Eine höhere Wärmedämmung der Wände fördert wegen der grösseren Wärmekapazität die Brutaufzucht im Frühjahr, da zum Beispiel kühle Nächte abgefedert werden. Im Sommer muss die Brut bei höheren Aussentemperaturen auch vor Überhitzung geschützt werden: Zunächst verlassen einige Bienen das Nest, um nicht mit ihrer Körperwärme zusätzlich Wärme zu erzeugen. Drinnen wird mit eingetragenem Wasser und Fächeln Verdunstungskälte erzeugt. Bei noch höheren Aussentemperaturen kehrt sich diese Aktivität aber zum Nachteil um. Beim „Verbrausen“ des Volks steigt die Nesttemperatur immer mehr an. Bei 50 °C fallen die Bienen auf den Boden und erbrechen Honig. Am Ende werden sie von den zusammenstürzenden Honigwaben begraben und getötet. Zu solchen „Unfällen“ kommt es inzwischen nicht nur bei Wanderungen, sondern auch bei ohne Sonnenschutz frei aufgestellten Völkern, besonders bei Metalldeckeln.

Bei Überhitzung verlassen immer mehr Bienen das Nest, um die Temperatur nicht mit ihrer „Eigenwärme“ zu erhöhen.Foto: Ute Schneider-Ritter

Klimawandel und Bienenvölker

Wegen des Klimawandels haben in Deutschland laut Deutschem Wetterdienst (2021) seit 1951 die Hitzetage mit Temperaturen über 30 °C um 196 % auf heute 11 Tage im Jahr zugenommen. Gleichzeitig sind seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1881 die Durchschnittstemperaturen um 1,6 °C angestiegen. Noch nie war es seitdem bei uns so warm, wie im Zeitraum von Januar bis November 2022 (Deutscher Wetterdienst, 2022). Als Folge haben sich, wie sich am Phänologischen Kalender zeigt, die Aktivitäten der Tiere und Vegetationsperioden der Pflanzen verschoben (siehe W. Ritter und U. Schneider-Ritter, Das Bienenjahr: Imkern in den 10 Jahreszeiten der Natur, Ulmer 2020.).

Besonders deutlich wird dies an den Winterphasen, die heute im Vergleich zum Zeitraum von 1961 bis 1990 um 17 Tage kürzer sind. Gleichzeitig haben die Frosttage seit 1951 um die Hälfte abgenommen. Im Bienenvolk werden dadurch die Perioden mit keiner oder wenig Brut immer kürzer. Ebenso setzt die Entwicklung der Völker im Frühjahr zeitlich früher und schneller ein. Eine höhere Wärmedämmung unterstützt und verstärkt diesen Verlauf. Dadurch verbrauchen die Völker im Winter nicht nur mehr Futter, sondern das Durchbrüten wirkt sich auch auf die Entwicklung von Krankheiten aus.

Mit dem Bodenschieber kann nicht nur der Zustand und Varroabefall eines Bienenvolks kontrolliert werden, sondern auch die Wärmedämmung der Beute verändert werden.Foto: Ute Schneider-Ritter

Varroa-Virus-Infektion und Nosemose

Mit der durch den Klimawandel veränderten Brutaufzucht wird die Vermehrung der Varroamilbe im Winter nicht unterbrochen und setzt im neuen Jahr früher ein. Auch treten brutfreie Phasen für eine erfolgreiche Winterbehandlung immer seltener ein. Die Völker enthalten dann im Frühjahr zu viele Milben und erreichen die Schadensgrenze meist schon vor dem Spätsommer (W. Ritter , Bienen gesund erhalten, Ulmer 2021).

Viele Imkerinnen und Imker lassen im Winter den Gitterboden offen, damit die Völker wenigstens zur Winterbehandlung kurzfristig brutfrei sind. Ähnlich ist die Situation bei erhöhten Durchschnittstemperaturen im Jahresverlauf und häufigeren Hitzeperioden. Auch hier versuchen viele durch Herausnahme des Bodenschiebers die Dämmung zu vermindern. Allerdings wird es immer schwerer, eine längere Periode zu finden, in der die Völker gefahrlos mit Ameisensäure behandelt werden können.

Auch andere Krankheiten wie die Nosemose werden vom Klimawandel und den höheren Temperaturen beeinflusst. Die seit einigen Jahren überall bei uns verbreitete Nosema ceranae ist als ursprünglich tropische Art sehr kälteempfindlich und stirbt bei Frost. Je mehr Bereiche des Nestes im Winter keiner kühlen Witterung ausgesetzt sind, um so besser können ihre Sporen auf den Waben überleben. Gleichzeitig halten sich mehr Bienen in wärmeren Bereichen auf, was die Vermehrung von Nosema in ihrem Darmsystem verbessert. Ferner wird mit dem frühen Brutanstieg im Frühjahr die Entwicklung der Nosemose beschleunigt, was sich bei der bei uns neuen Nosema-Art weniger mit Durchfall, sondern vor allem an einer allgemein schlechten Entwicklung der Völker zeigt. In Zukunft werden sich bei uns weitere ursprünglich tropische Krankheiten, wie zum Beispiel der Kleine Beutenkäfer ausbreiten können, da auch sie bei den höheren Durchschnittstemperaturen im Nest bessere Vermehrungs- und Überlebenschancen vorfinden.

Fazit

Im Sommer ist besonders in den immer häufigeren Hitzeperioden eine zusätzliche Dämmung für die Bienenvölker ungünstig. Im Winter brüten „kalt sitzende“ Völker weniger und haben mehr Kontakt zur Umwelt. Sie sind dadurch oft kleiner und bringen eventuell weniger Frühjahrshonig. Dafür verbrauchen sie weniger Winterfutter, sind meist gesünder und erfordern weniger imkerliche Eingriffe. Darüber hinaus sind sie besser auf den Klimawandel und zukünftige Krankheiten vorbereitet. Die Wärmedämmung bekommt somit im Klimawandel insbesondere in Hinblick auf die Bienengesundheit eine neue Bedeutung.

Quelle: bienen & natur / Wolfgang Ritter und Ute Schneider-Ritter

Tags: beuten